Fischer an Land


 

Abends, als das selbst gemachte Sushi aus frischem Fisch gerade auf dem Tisch steht, kommt Kjetil der Fischer herein. Hier steht die Haustür immer offen. Spätestens auf der Fähre zurück zum Festland würden Diebe auffallen – man kennt sich in der Gegend.

Kjetil setzt sich mit seiner zerrissenen, verfleckten orangenen Arbeitsjacke an den Tisch und guckt, wie nur Kjetil gucken kann. Da ich sein Norwegisch nur schwer verstehe, was sicher auch an dem Kautabak liegt, den er unter seine Lippe gestopft hat, habe ich Zeit, mir sein Gesicht anzusehen. Es ist ein freundliches Gesicht mit zornvollen Augen – fast wie eine dieser japanischen Samurai-Statuen. 

 


 

 Sushi will er nicht, er hat gerade ein Wienerbrød verspeist, ein Puddingteilchen. Als Svein ihm ein Stück Sushi anbietet, schaut er das Lachsmaki an, als würde es aus Polyester mit Bauschaumfüllung bestehen. „Nej“, entfährt es ihm. „Daran werdet ihr sterben“, bemerkt er düster. Kjetil isst lieber Würstchen. Auch eine Alfalfa-Sprosse, die auf dem Teller übrig geblieben ist, beäugt er mit so großem Misstrauen, als handele es sich um einen Knollenblätterpilz mit Arsen und Blausäure bestrichen. Sicherheitshalber spuckt er seinen Kautabak in eine Dose und steckt sich ein neues Stück rein. Ob er nicht doch probieren will, fragt Svein. „Nej!!!!!!!“

 

Kjetil hat gerade Zeit und Redebedarf. Was sich darin ausdrückt, dass er am Tisch sitzt, lange schweigt, aber nicht geht. Dann, ganz langsam, kommen die Worte. Von seinem Kumpel, der ein verklemmtes Fischernetz aus dem Motor ziehen wollte und dessen Augenlicht jetzt in Gefahr ist, weil ein loses Seil ihn im Gesicht erwischt hat. Auf die Lofoten fährt er jetzt doch nicht, er kann die Fische, die er dort fängt, gerade nicht verkaufen. Bei den Fischaufkäufern sind zuerst die großen Trawler dran, danach kommen die kleinen Boote zum Zug. Das bedeutet für Rainer, dass er nicht, wie geplant, mit Kjetil eine Woche raus zum Fischen fahren wird.

 

 

Das Gute ist – das Wetter ist etwas besser geworden. Und so können wir noch eine Weile die spektakuläre Natur genießen.

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