Gehen im Eis


 

Lausche auf die Weite, sie ruft dich zurück!

Fridtjof Nansen

 

Für mich brechen die letzten Tage am Polarkreis an. Der Regen hat aufgehört und manchmal können wir auch die Sonne sehen. Tauwetter lässt die Eisfläche eines der großen Seen aufbrechen. Wir wandern auf der Zufahrt zu einem Wasserkraftwerk. Das Konzept Wanderweg als Mittel der Freizeitgestaltung ist hier in der Gegend unbekannt. Wo ein Weg ist, ist ein Ziel.

 

Wer sein Ziel noch nicht vor Augen hat, muss sich in wegloses Dickicht wagen, sich durch Moore tasten und über Felsen klettern – immer aufmerksam beobachtet durch die Seeadler, die über den Wanderern kreisen. Und wo man auch geht: Immer war schon einer vorher da. Die Erde ist markiert mit dem Kot von Elchen, Rentieren, Schafen, Kühen. Sogar ein Lama gibt es. Wir entdecken das Tier auf einer Weide am Weg. Lamas sollen die Lämmer vor den Füchsen schützen. 

 


 

 

Es gibt ein Buch von Werner Herzog: „Vom Gehen im Eis.“ Der Verfasser bricht darin zu einer Wanderung auf, die immer wieder auf die verschlungenen Pfade seines Inneren führt. Es ist diese Balance, die ein Eisgänger finden muss, zwischen innerem Erleben und äußeren Einflüssen. 

 

So geht man auf Eis: Man lehnt sich etwas nach vorne, um den Köperschwerpunkt leicht vor die Hüfte zu verlagern. Die Knie sollten schwach gebeugt sein, um Ausgleichsbewegungen zu allen Seiten zu ermöglichen. Jetzt macht man kleine Schritte. Auf einmal ist es ganz leicht. Wo ich gestern noch gestolpert bin, gleite ich heute mit Leichtigkeit über die zugefrorenen Wege. 

 


 

 

Meine Gedanken dehnen sich aus. Es ist, als wäre in der Stadt mein Denken eingeschlossen in einer kleinen Kugel. Die löst sich hier, in der Weite, langsam auf. Wegeloses Wandern und grenzenloses Denken. Die Landschaft wird durch die Macht der wilden Natur geformt und ich mit ihr.

 

Nur noch einen Tag, dann muss ich wieder zurück.  

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