Noch ist Eis da


Beflissen trippelt er am Eisstrand von Fjaere hin und her. Dann lässt sich etwa spatzengroße Vogel auf einem schwimmenden Geflecht von Blasentang nieder zum schlafen. Ab und an wird er von einer Welle überspült und geweckt. So geht das über lange Zeit. Ich schaue mir den kleinen Vogel genau an, während Rainer die Aufnahmegeräte betreut. Später schlage ich im Vogelbuch nach: Es ist ein Fjaereplytt - ein Küstenbewohner und Zugvogel. Wahrscheinlich hat ihn der Sturm hierher geweht, so früh im Jahr.


"Eigentlich ist der Februar und März hier der Garant für Schnee", sagt Gunn-Marit. Doch in diesem Winter ist vieles anders - es ist außergewöhnlich warm. Mit Svein unterhalte ich mich am Küchentisch. Er arbeitete früher in Spitzbergen als Kartograph für die staatliche Vermessungsbehörde: "Wir hatten lasergestützte Messmethoden, mit denen wir einen Anstieg von Spitzbergen registriert haben. Jedes Jahr mehr, denn die Gletscher schmelzen. Die ganze Insel wird dadurch leichter und steigt auf." Den Klimawandel habe man schon damals gesehen, in den 90er Jahren, und er war einer der Wissenschaftler, die davor warnten. "Ich hatte gesehen was passiert, aber ich hoffte, ich hätte mich geirrt", sagt er, "jetzt, wenn der Permafrost auftaut, kann es mit dem Klimawandel ungeheuer schnell gehen." 


Doch noch ist heute ein eisiger, sonniger Tag. Rainer und ich steigen auf einen Felsen und basteln uns eine Windharfe. Mit Kontaktmikrofonen hören wir dem Wind zu und er klingt phantastisch. Jetzt warten wir auf einen Sturm, der am Sonntag kommen soll und der sicher die Windharfe ordentlich zum Klingen bringen wird. Das Nordlicht lässt sich am Abend nicht blicken. Doch es ist still. Ganz still. Wir hören nur das leise Plätschern der Wellen am Strand. Es gibt keine Geräusche und der Geist spannt sich weit aus über das dunkle Wasser. Langsam kriecht die Kälte von außen ins Innere. Wir gehen ins Haus.

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