Getrennte Wege


Bereits nachmittags um drei Uhr werden die Schatten lang, kurz danach geht die Sonne unter. Rainer hat morgens früh das Haus verlassen, um mit Svein und Ketil fischen zu gehen. Ich bleibe allein zurück. Durch das Eis sind alle Wege beinahe unbegehbar. Ich rutsche breitbeinig wie eine Comic-Figur zur Landstraße - die ist gestreut und sie soll meine Wanderstrecke für heute sein. So laufe ich die einsame Straße entlang, aber dann sehe ich Rentierspuren, die zwischen ein paar Birken verschwinden. Ich gehe ihnen nach und gelange an einen herrlichen Strand. Die Sonne scheint, leise plätschern die Wellen ans Ufer, das gesäumt ist von Muscheln. Im klaren Wasser treibt Tang wie Frauenhaar. Es ist Ebbe und ich spaziere über den Meeresboden zu einer kleinen Felseninsel und wieder zurück zum hellgelben Strand. Er hat eine seltsame Farbe und Beschaffenheit, dieser Strand. Ich bücke mich und entdecke, dass ich nicht auf Sand stehe, sondern auf Millionen von Korallenstücken. Der ganze Strand besteht aus kleingemahlenen Korallen.


Ich fühle mich wie ein Kind und der Strand ist voller Wunder. Die kleinen roten Lebewesen, die in den aufgetauten Pfützen wohnen, die Adler, die mich neugierig aus der Höhe beobachten, mein langer Schatten, der über den Strand ins Wasser fällt. Das Ende der Bucht liegt im Schatten eines großen Berges. Hier bilden das Eis und die Granitsteine vollendete Skulpturen. Ich bin tief beeindruckt von der Kreativität der Natuer und ich werde ganz still.






Dann wandere ich zurück. Inzwischen sind auch die Männer von ihrem Abenteuer zurück und erzählen mit leuchtenden Augen Fisch-Geschichten. Sie haben so viele Tiere gefangen, dass die Wannen im Boot nicht ausreichen, um alle Fische aufzunehmen. Rainer hat Möwen und Adler gefilmt, die sich um die Fischinnereien streiten. 


Außerdem hat er so gut mitgearbeitet, dass Ketil ihm vorgeschlagen hat, ihn kommendes Jahr zu seiner Fischtour auf die Lofoten mitzunehmen. Sie verdienen ganz gut, die Lofotenfischer, ihr Fisch hat eine sehr gute Qualität und ist begehrt. Zwischen 55 000 und 100 000 Euro im Jahr kann man als Fischer hier machen. Svein erzählt gar von einem alten Makrelenfischer, dessen Ware sofort nach dem Fang nach Japan geflogen wurde, um in den besten Sushi-Restaurants serviert zu werden. Das Boot des Makrelenfischers landete eines Tages verlassen an der Küste an. Von dem Fischer fehlt seither jede Spur.


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