Das Nebelhorn von Kjerringøy

Eis nimmt hier die unglaublichsten Formen an. Nie habe ich Eis gesehen, das dünner ist, hauchzart, wie eine gefrorene Seifenblase. Auf dem Foto sieht man ein Eisstück mit eingefrorenen Luftblasen. Es ist so kalt, dass die Blasen beim Aufsteigen einfrieren, bevor sie an die Wasseroberfläche gelangen können. Rainer und ich fahren in Richtung Øyjord - Inselerde - auch die Straße besteht aus blankem Eis. Der Fjord ist zur Hälfte eingefroren. Im stürmischen Wind versucht Rainer, Aufnahmen zu machen.

Die Eisstücke auf dem Fjord bewegen sich wie eine sämige, weiße Flüssigkeit, bevor sie an Land zu bizarren Platten gefrieren. Die Landschaft ist kalt, blau und leer. Ich gehe am gefrorenen Ufer spazieren und komme mir vor wie auf einem fremden Planeten.

Wir mikrofonieren das Eis, doch es schweigt und gibt seine Geheimnisse nicht preis. Ganz anders als Ulf. Wir treffen den Bootsbauer in der alten Schule von Kjerringøy, die jetzt ein Museum ist. Von ihm wollen wir Geschichten über die Dunkelzeit hören, und er hat einige auf Lager. Wie ein Freund von ihm mal mit den Samen zusammen im Winter Rentiere gehütet hat und dann im Schneesturm übernachten musste, mit nichts als einem Rentierfell als Zelt. Wie er dann morgens beim Aufwachen in zwei Gewehrläufe blickte. Die Jäger hatten ihn für einen Bären gehalten. Er erzählt von Wandertouren im Mondschein und dem Zusammenhalt der Leute hier.


Ulf ist einer der Fembøring-Senioren, hat Anthropologie studiert und ist in der Welt herum gekommen. Ein ganz anderer Typ ist Hans, den wir am Abend zu Gast haben. Er lebte mit seiner Familie als Fisch-Bauer auf Kalløya, einer winzigen Insel vor Kjerringøy. 

Hans - hier gießt er sich gerade Milch in den Abend-Kaffee - ist inzwischen arbeitslos und ein Sonderling, der nachts mit dem Auto über die Insel fährt und den Tag verschläft. Hans ist der geborene Geschichtenerzähler und er ist der Einzige, der schon mal ein Nordlicht gehört hat. Davon berichtet er uns und vom Nebelhorn in Kjerringøy. Als der Leuchtturm ein Nebelhorn bekam, hatte man das auf seiner abgelegegen Insel nicht mitbekommen. Man war also draußen beim Fischen und plötzlich ertönt das Nebelhorn. Da hatten die Fischer Angst, ein Wassergeist sei hinter ihnen her und sie ruderten so schnell sie konnten zur Insel zurück. Auch die Frauen, die im Stall gerade beim Melken waren, bekamen den Schreck ihres Lebens. Sie dachten, das jüngste Gericht stehe bevor und man könne die himmlischen Trompeten hören. Hans, für den es spät am Abend eigentlich früh am Morgen ist, bleibt noch lange und hält uns bis tief in die Nacht wach.

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