Die lustigen Senioren und ihr Boot





Die Fischbauern heutzutage sind Ärzte und Kaufleute - aber sie haben immer noch ein Boot. Und heute ist der Tag, an dem das Boot für die neue Saison vorbereitet wird. In einer Scheune wuseln zahlreiche Senioren um ihr Fembøring herum, ein traditionelles Fischerboot, das zu Ausflugsfahrten bei schönem Wetter benutzt wird. Mit reichlich Ankerschnaps an Bord geht es später im Frühjahr auf Tour in Richtung Lofoten, wobei der Anker immer dann herabgelassen wird, wenn der Durst zu groß wird.


Beim Arbeiten bekommen wir Fisch-Geschichten erzählt. Leif, ein verwittert aussehender Zahnarzt und Sohn eines Fischers, berichtet von der Fahrt im Ruderboot rund um Spitzbergen, wo ein neugieriges Walroß beinahe das Boot zum Kentern brachte. Jan, Radiologe aus Bodø, kann einige Worte Deutsch, die er von seinen Kollegen im Krankenhaus gelernt hat - allesamt Deutsche. Falls sich einer wundert, wo unsere Krankenhausärzte geblieben sind. Während in der Scheune der Geruch nach Lösungsmitteln beinahe unerträglich wird, flüchten die ersten zu Kaffee und Kuchen ins Museum. Hier verspeisen wir nicht nur eine phantastisch leckere Mandeltorte, sondern treffen auch Erika - Ethnologin und Kulturwissenschaftlerin - die uns eine Menge über die Mythen rund um die dunkle Jahreszeit mitteilt.


Hier sieht man ein Draugen bei der Arbeit. Wenn man Glück hat, hängt sich aber auch ein Marmel mit seinen langen Fingern an die Angel. Zieht man das nackte Wesen, halb Fisch, halb kleines Männchen, herauf und gibt ihm etwas zum Anziehen, zeigt es dem Fischer die besten Fischgründe, verrät den Bauern, wo Schätze vergraben sind, oder wem er trauen kann und wem nicht. Nur loslassen muss man das Marmel irgendwann einmal wieder, nämlich dann wenn es zurück nach Hause möchte.
Wollte man in vorchristlicher Zeit auf einem Stück Land einen Bauernhof errichten, so musste man den örtlichen Erdgeist, auch ein kleines Männchen, mit Opfergaben milde stimmen. Ein Teil der Ernte war für den Ortsgeist bestimmt. So blieben die Tiere gesund und die Menschen hatten genug zu essen. Über die Spukgeschichten ist es Abend geworden und wieder kehren wir ins Museum ein. Arild hat "alter Salzfisch" gekocht, wobei sich das alt auf das Salz bezieht, nicht auf den Fisch. "In früheren Zeiten", erzählt uns Arild, "war Salz kostbar. Wenn man den eingesalzenen und getrockneten Klippfisch einweichte, dann benutzte man diese Salzlake, um Seelachs darin einzulegen. Um den Geschmack zu verbessern, wird der Fisch komplett, mit den Gedärmen und nicht ausgeblutet, in das Salzfass gelegt." Nach einiger Zeit ist der Fisch gereift und wird mit ausgelassenem Speck, Kartoffeln und Karotten serviert. Unsere Gastgeber sind etwas skeptisch, was sie uns kulinarisch zumuten können, doch auch dieses sehr kräftig schmeckende Gericht ist gar nicht schlecht. Rainer und ich werden sehr herzlich in die Tischrunde aufgenommen und mein Norwegisch ist inzwischen so gut, dass ich ein bißchen verstehen und auch den einen oder anderen Satz sagen kann.
Zurück im Haus ist zwar der Strom wieder da, aber das Auto hat dafür den Geist aufgegeben. Entweder ist jetzt eine kleine Opfergabe an den örtlichen Geist fällig, oder ein Anruf bei Rent a Wreck, die ihrem Namen alle Ehre zu machen scheinen.

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